Universität GH Essen
WS 1999 / 2000
Seminar: Impressionismus
Referentin: Heidi Skirde
Italienische und spanische
Malerei
zur Zeit des Impressionismus
1 Sozialer und politischer Hintergrund
3
Im Ausland lebende italienische Künstler
4
Weitere italienische Künstlergruppen
II
Spanische Malerei zur Zeit des Impressionismus
2
Die spanischen Künstler des Impressionismus
2.1
Im Ausland lebende spanische Künstler
2.2
Das klassische Dreigestirn des spanischen Impressionismus
__________________________________________________________________________
I Italienische Malerei zur Zeit des Impressionismus
Im Gegensatz zu Frankreich, in dem sich Paris im 19. Jahrhundert zur Kunstmetropole schlechthin entwickelte, hat sich die italienische Malerei in einer Vielzahl von regionalen Zentren wie z.B. Florenz, Rom, Neapel, Venedig oder Mailand entwickelt, so dass die italienischen Künstler unter dem Einfluss verschiedener Malschulen standen.
Die italienischen Künstler des 19. Jahrhunderts hatten viele Gemeinsamkeiten mit ihren europäischen Zeitgenossen und den französischen Impressionisten. Auch die Italiener hatten offensichtlich ein Interesse an der Darstellung des zeitgenössischen Lebens. Sie bemühten sich um einen aufrichtigen, individuellen Ausdruck und verfolgten eine skizzenhafte Technik in ihren Bildern. Sie arbeiteten im Freien, wobei sie bemüht waren das Naturlicht anhand von Freilichtstudien wiederzugeben. Außerdem interessierten sie sich für die Fotographie und japanische Holzschnitte.
Die italienischen Maler waren jedoch wenig von der stilistischen Ausprägung des französischen Impressionismus beeinflusst. Die Franzosen waren sogar eher unbekannt bei den italienischen Künstlern. Diese zeigten größtenteils wenig Interesse und waren dem französischen Impressionismus mitunter feindselig gegenüber eingestellt. Dennoch entwickelte sich in Italien im 19 Jahrhundert eine Malerei, die häufig mit dem französischen Impressionismus gleichgesetzt und verglichen wurde. Um die Ausprägungen in der italienischen Malerei im 19. Jahrhundert zu verstehen, ist es sinnvoll sich den sozialen und politischen Hintergrund der Zeit vor Augen zu führen.
In den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts war Italien geprägt von der Phase des Risorgimento (ital. risorgere = sich erheben), also einer Phase politischer und militärischer Unruhe. Nachdem Italien lange Zeit unter bourbonischer und österreichischer Fremdherrschaft gestanden hatte, kämpfte es nun um seine nationale Einheit. Die Feldzüge der Italiener waren erfolgreich: 1861 wurde das neue Königreich Italien ausgerufen. 1877 wurde Rom zur Hauptstadt Italiens.
Jedoch war die neue Nation Italien nach der Einigung auf kulturellem Gebiet durch die alten regionalen Traditionen nicht sehr einheitlich. Ein piemontesischer Staatsmann formulierte es folgendermaßen: Italien wurde geschaffen. Nun müssen wir nur noch den Italiener schaffen.
Infolgedessen waren einige Künstler darum bemüht einen Beitrag zur Herausbildung einer nationalen und kulturellen Identität leisten. Viele andere hielten jedoch auch an den Traditionen fest.
Weiterhin war Italien in der Zeit im wesentlichen ein agrarwirtschaftlich ausgerichtetes, ländlich strukturiertes Land war. Die Industrialisierung war weniger fortgeschritten als in Frankreich. Daher war die Sozialstruktur weniger bürgerlich ausgerichtet.
Anhand dieser sozialen und politischen Hintergründe lassen sich klare Unterschiede zu den französischen Impressionisten ausmachen: Die Italiener sind im allgemeinen eher an politischen und sozialen Belange interessiert. Ihre Bildern zeigen daher weniger das seichte Freizeitleben des Bürgertums, wie es bei den Franzosen der Fall ist.
In den späten 50er Jahren bildete sich in der Toskana eine Gruppe von Malern heraus, die am häufigsten mit den französischen Impressionisten verglichen und in Zusammenhang gebracht wurde: Die Macchialioli. Lange Zeit wurden sie als vorimpressionistische „Fleckenmaler“ und frühe Gruppe von Freilichtkünstlern bezeichnet, deren Arbeiten die Malerei des französischen Impressionismus vorweggenommen oder begleitet haben sollen (nach den Kritikern Martelli und Cecioni). Tatsächlich sind die Bilder der Macchiaioli sehr viel früher entstanden als die Bilder der französischen Impressionisten. Dennoch unterscheiden sich die italienischen Maler in vielerlei Hinsicht vom Stil des französischen Impressionismus.
Die Kunst der Macchiaioli ist geprägt vom besonderen nationalen Charakter und ist in der Tradition des Landes verwurzelt. Hierbei sind die einzelnen Künstler wiederum so verschieden, dass man nicht von einer einheitlichen Bewegung sprechen kann.
In Posillipo bei Neapel, an der „Scuola di Posillipo“, der fortschrittlichsten Schule in Italien auf dem Gebiet der Landschaftsmalerei, bildete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Gruppe von Landschaftsmalern aus, die sich eingehend mit der Landschaftsmalerei beschäftigte. Die italienische Freilichtmalerei (all`aperto) entwickelte sich aus der Tradition der Landschaftsmalerei wie sie im frühen 19. Jahrhundert in den österreichischen Akademien in Venedig oder Mailand üblich waren sowie in der Akademie in Neapel (dort wurde im 17. Jahrhundert die Tradition der Vedutenmalerei gepflegt). Die Kunststudenten wurden an den Akademien zunehmend zum Arbeiten in Freien und auf dem Land ermutigt. Zu der Schule von Posillipo gehörten Künstler wie Giacinto Gigante, die Gebrüder Palizzi und Michele Cammarano.
Auf der All`Aperto-Studie „Reifes Korn“ von Fillippo Palizzi zeigt sich deutlich, was sich in der Malerei Italiens veränderte. Der Betrachter scheint am Rande eines Feldes mit reifen, gelben Korn zu stehen. Das Bild erscheint zunächst eher langweilig und uninteressant, bis man auf der rechten Bildseite eines schemenhaften Schafes gewahr wird. Der Maler hat das Tier offensichtlich nachträglich auf das Bild gesetzt (die roten Blumen scheinen noch durch). Interessant ist hierbei die Art und Weise, wie das Tier gemalt wurde: Es besteht nur aus hellen und dunklen Flecken, keine Linie ist zusehen. Die Malweise gleicht der Helldunkeluntermalung, die bei den italienischen Künstlern seit Jahrhunderten als die „Macchia“ des Bildes bekannt ist.
Die Macchia ist ein heftiges Helldunkel, eine
farbarme, fleckige Faktur, wie man sie von den Vorskizzen und Studien der Maler
kennt. Sie war seit Jahrhunderten notweniger Bestandteil für Ausdruck und
Aufbau des Bildes. Die italienischen Künstler ließen sich davon anregen: Die
Macchia sollte als solche auch im fertigen Bild sichtbar bleiben. Arbeiten in
der Macchia-Technik bedeutete die Gegenüberstellung von stark kontrastierenden
Farbflecken. Diese skizzenhaften Gemälde als fertig anzusehen, bedeutete die
Abwendung von der akademischen Tradition. Da die Kunstschulen vor der Einigung
Italiens fremdbestimmt waren, wurde diese revolutionäre Technik hier eher
gebilligt als in Frankreich. Sie war ein politischer Ausdruck des Risorgimento.
Die Macchia diente anfangs nur zur besonderen
Heraushebung des malerischen Helldunkeleffektes, um sich gegen die linear
akademische Kunst abzusetzen (Zitat Signorinis).
Vittorio Imbriani, Neapler
Ästhetiker und Kritiker und Freund Palizzis, beschrieb die Macchia
folgendermaßen:
Eine Harmonie der Töne , eben von Licht und Schatten, die fähig ist in der
Seele Gefühle zu erwecken, die Einbildungskraft zur Produktivität anzuregen.
Die Macchia ist das Ergebnis des ersten flüchtigen Eindrucks, sei es von einem
Gegenstand oder von einer Szene; der erste charakteristische Effekt, der sich
dem Auge des Künstlers einprägt.
In den 50er Jahren wird das Neapler Interesse an der
Verbindung von Effekt und Ausdruck durch einige Künstler bis nach Florenz
weitergetragen. Florenz war politisch und kulturell eine der
fortschrittlichsten Städte im Italien und ein Zufluchtsort für Flüchtlinge und
Vertriebene. Ein wichtiger Bezugspunkt für Künstler aus ganz Italien und
Besucher aus dem Ausland war das „Caffè Michelangiolo“ in Florenz. Das Café war
der Treffpunkt der Avantgarde, hier wurden Kontakte geknüpft und Ideen
ausgetauscht. Zwischen 1855 und 1860 ließen sich auch die Florentiner Maler zur
Freilichtmalerei anregen. Sie verwendeten ein heftiges und übertriebenes
Helldunkel als Kompositionsgrundlage. Die Neapolitaner bevorzugten Tonwertkontraste.
Die sich neu bildende Florentiner Schule wurde stark
kritisiert. Ein Kritiker bezeichnete sie spöttisch als „Effettisti“, weil sie
die Effekte überbetonten. Später wurden sie als Macchiaioli im Hinblick auf die
vielen Bedeutungen von Macchia (Fleck, Rebell, Skizze, Pfad, Effekt)
beschimpft. Sie wurden als Rebellen gegen die akademische Disziplin
gebrandmarktet. In den Augen der Konservativen waren die Gemälde der
Macchiaioli unvollendeten Skizzen. Wie bei den Franzosen griffen die
Macchiaioli diese Negativbezeichnung jedoch auf.
Durch diese Künstler setzt sich in Italien das
konsequente Malen im Freien durch. Neue Themen wie die örtliche Landschaft, das
bäuerliche Leben, das Treiben in den Städten und Dörfern der Region verdrängten
die traditionellen literarischen und historischen Sujets. Dies entsprach der
Forderung nach einer neuen italienischen Kunst.
Ein wichtiger Florentiner Maler war Guiseppe Abbati
(1836-1868). Er bevorzugte Architekturmotive, wie z.B. auf dem Bild „Sonnige
Gasse“ von 1862. Man sieht eine ruhige und sonnendurchglühten Gasse in Florenz.
An der Mauer wird das Licht mit unterschiedlich nuancierten Farbtönen
wiedergeben. Das Bild wirkt ruhig und schlicht.
Ein wichtiger Bezugspunkt für viele
Macchiaioli-Künstler war der toskanische Küstenort Castiglioncello. Der
Kunstkritiker Martelli hatte dort ein Landgut, wohin er viele seiner
Künstlerfreunde einlud und die „Schule von Castiglioncello“ gründete.
Das kleinformatige Bild “Landschaft in
Castiglioncello” von Abbati ist ein Zeugnis dieser Zeit. Auffällig ist das
horizontal angelegte Format des Bozetto (= erster, roher kleinformatiger
Entwurf des Künstlers zu einem Kunstwerk, das später von Gesellen ausgeführt
wird). Solche kleinformatigen, auf Holz ausgeführten Arbeiten waren sehr typisch
für die Macchiaioli.
Auch
Giovanni Fattori (1825-1908) gehörte zur Schule von Castiglioncello. Hauptthemen seiner
Atelierarbeiten waren das Leben und Schicksal der Landarbeiter, Bauern und
Soldaten im jungen italienischen Staat und Szenen aus dem ländlichen Bereich.
Seinen Bildkompositionen lagen zahlreiche Freilichtstudien von Tieren,
Einzelfiguren und Landschaftsmotiven zugrunde, auf die er immer wieder
zurückgriff. Seine Bilder dokumentieren die Ereignisse im jungen italienischen
Staat und zeugen von der damaligen Interesse an zeitgenössischen Themen.
Auf der Holztafel „Französische Soldaten im Jahre
1859“ hat Fattori einige bei Florenz stationierte französische Soldaten beim
ihrem alltäglichen Dienst festgehalten.
Das Bild „Heuschober“ (um 1867-1870) ist ein
Beispiel für eine von Fattoris kleinformatigen Freilichtstudien auf einer
ungrundierten Holztafel – häufig benutzte er Deckel von Zigarrenkisten. Die
Farbe scheint rasch und dünn aufgetragen zu sein. Der durchscheinende Grund des
Holzes mit seiner braunen Farbe legt in traditioneller Weise den mittleren
Tonwert des Bildes fest, auf den die anderen Farbtöne aufbauen (vgl. Abbildung
1, S.13).
Eine ganz andere Richtung
schlägt der Florentiner Silvestro Lega mit seinem Bild „Die Pergola“ (1868) ein. Auf dem Bild wird das ländliche Familienleben - ein ruhiger,
bürgerlicher Alltag - in der Toskana dargestellt. Gezeigt wird ein geselliges
Beisammensein beim Kaffee. Die Hauptpersonen sind Frauen und Kinder. Die
harmonische, zurückhaltende Komposition, die nüchterne geometrische
Raumgestaltung sowie die sorgfältige Zeichnung vermitteln eine Atmosphäre der
Zurückgezogenheit und ruhigen Einfachheit. Das Bild scheint sorgfältig
konstruiert zu sein. Der Maler bemühte sich in dem Bild um die Darstellung des
„il vero“, also um die wahrhaftige und realitätsbezogene Wiedergabe des
Sichtbaren.
Die Pergola ist in Piagentia
entstanden. Die dort ansässige „Schule von Piagentia“ war das realistische
Gegenstück zur „Schule von Castiglioncello“.
Neben Lega gehörte auch Telemaco
Signorini zur Schule von Piagentia. Er war kosmopolitischer und offener für die
internationalen Wandlungen in Geschmack und Stil und für das Werk der
französischen Avantgarde als Fattori und Lega und war sehr oft in Paris.
Dennoch bekannte er sich stets zu dem kulturellen Erbe Italiens. Signorini
gehört zu den Macchiaioli-Malern, bei denen das heftige Helldunkel sehr zum
Ausdruck kommt und die mit den ausdrucksvollen Effekten des natürlichen Lichts
spielen. Er gab jedoch die Macchia-Malerei in ursprünglicher Form auf. Er
interessierte sich mehr für sozialkritische Elemente in der Malerei und ließ
sich vom Realismus und literarischen Naturalismus beeinflussen.
Diese Auffassung wird
deutlich an dem Bild „Die Irrenabteilung von S. Bonifazio in Florenz“ von 1865,
mit dem er sich sehr viel negative Kritik einhandelte. Degas, dessen
sozialkritische Auffassung Signorini teilte, war übrigens von diesem Bild
beeindruckt. Die theatralische Lichtgestaltung und die überzogene
Raumperspektive erinnern an einige Bilder Degas’. Das Beispiel ist jedoch eher
untypisch für Signorini. Auf einem Großteil seiner Arbeiten finden sich
italienische Straßen- und Marktszenen, die oft unter dem Aspekt ihrer besseren
Verkäuflichkeit gemalt wurden.
Ein wesentlicher Unterschied
zwischen den Macchiaioli und den französischen Impressionisten liegt in den
unterschiedlichen Traditionen. Während für die Franzosen das fertige Bild eine
Balance zwischen „Beobachtung und Reflexion“ war, wog bei den Macchiaioli das
ideelle Konzept einer harmonischen und stabilen Naturdarstellung schwerer als
die Notwendigkeit, die Unmittelbarkeit des Eindruck zu bewahren.
Von den wenigen im Ausland
bzw. in der Pariser Kunstwelt lebenden italienischen Malern waren Boldini, De
Nittis und Zandomenghi die bedeutendsten. Sie orientierten sich stärker an der
französischen Kunstszene als die in Italien gebliebenen Maler.
Giovanni
Boldini hatte in Florenz studierte. Er hatte Anschluß an dem Künstlerkreis im „Caffe
Michelangiolo“. In Paris hatte er kommerziellen Erfolg. Vor allem durch seine
Portraits wurde er sehr berühmt.
Zwei seiner Portraits sollen
seine Entwicklung als Maler dokumentieren: Das Portrait von Diego Martelli in
Castiglioncello (um 1869) zeigt den Kritiker in bäuerlicher Kleidung mit gelbem
Strohhut, entspannt vor seinem Anwesen sitzend. Im Hintergrund sieht man locker
gemaltes Laub und eine Wand mit unzähligen Sonnentupfen. Das Bild ist in
impressionistischer Manier gemalt. Im „Bildnis einer Dame“ (1907) wird eine
wesentlich freiere Malerei Boldinis deutlich. Boldinis Pinselstrich wirkt
schneller, spontaner und virtuoser. Sein Spätstil war voller aufwühlender,
heftiger Bewegung. Das Portrait der eleganten Dame wirkt daher fulminanter und
interessanter als das Portrait von Martelli.
Guiseppe De Nittis studierte
in Neapel und hatte eine Vorliebe für die Landschaftsmalerei. Er ließ sich 1868
in Paris nieder und war trotz Schwierigkeiten als ausländischer Salonmaler sehr
erfolgreich. Er hatte guten Kontakt mit Manet, Degas, Caillebotte, sowie mit
den Schriftstellern Zola, Duranty und Edmont de Goncourt. De Nittis stellte mit
Vorliebe das städtische Leben aus ungewöhnlichen Blickwinkeln und in
asymetrischen Perspektiven dar.
Dass ihn die Franzosen
beeinflusst haben, wird an den folgenden Beispielen sehr deutlich: „Auf den
Feldern vor London“ zeigt ein traditionelles impressionistisches Motiv: Frauen
und Kinder sitzen auf einem Feld mit roten Mohnblumen, das von Sonnenlicht
überstrahlt ist. Die Formen der Menschen verschmelzen mit den Blumen und dem
Gras.
„Das Schneefeld“ erinnert
mit seinen subtilen Tonwerten sehr an Monets Impression, Sonnenaufgang. Auch
das Bild „See der vier Kantone“ (1875) zeigt ein vertrautes impressionistisches
Motiv einer Frau im Boot.
Auf dem Bild „Westminster“
(um 1875) sind Fluss und Gebäude in einen nebligen, dunstigen Schleier gehüllt
und erinnern an Monet, dessen Bilder vom Westminster allerdings erst viel
später entstanden sind. Im rechten Vordergrund des Bildes finden sich die dunkelsten
Tonwertakzente, dort ist die Komposition verankert. Die Brücke im Vordergrund
wird als perspektivische Linie benutzt, der Blick des Betrachters wird
dramatisch aus dem Bildraum hinausgeführt. Die Menschen am Brückengeländer
beobachten Passanten und starren in die Themse, sie sind ausgearbeitet und
repräsentieren genau beobachtete Gesellschaftsschichen des zeitgenössischen
Londons. Die Haltung und Blickrichtung der Menschen erscheint willkürlich,
wurde jedoch offenbar genau in Szene gesetzt: Der Betrachter wird innerhalb des
Bildraums über diese Figuren zur Vordergrundfigur zurückgeführt, die zu den
Türmen schaut.
Der letzte der drei in der
Pariser Kunstszene wandelnden Italiener ist Federico Zandomeneghi (1841-1917).
Er hatte in Venedig studiert und war mit Fattori, Signorini und Martelli
befreundet. 1874 ging er nach Paris, wo er jedoch keinen Erfolg hatte. Er lebte
dort zurückgezogen und in finanzieller Not, seinen Lebensunterhalt verdiente er
mit Modezeichnungen. In seinen Bildern zeigt sich eine Vorliebe für
Figurenkompositionen und eine Neigung zu sozialkritischem Realismus. Als er die
3. Impressionistenausstellung 1877 sah, war er nicht sehr begeistert von den
Impressionisten. Dennoch bewunderte er sie wegen ihres rebellischen Geistes,
schloss sich ihnen an und war in der 4. Ausstellung mit vertreten.
Auf dem Bild „An der Seine“
(1878) wird eine Spannung zwischen seiner italienischen Herkunft und seinem
französischen Umfeld deutlich (vgl. Abbildung 2, S.14). Ohne Figuren ist das
Bild durch das horizontale Format und die Tonwertharmonien vergleichbar mit den
im Freien gemalten Landschaftsstudien der Macchiaioli (vgl. Abbatis „Landschaft
bei Castiglioncello“) Der Rauch, der aus Schuppen quillt, weist jedoch auf eine
stärker urbanisierte und industrialisierte Landschaft hin, was eher untypisch
war in der italienischen Malerei. Der Blickwinkel ist ungewöhnlich: Von dem am
Ufer sitzenden Angler ist nur der Zylinder und die Angelrute zu sehen. Die Frau
sitzt im Profil auf ihrem Klappstuhl. Der schwarze Schirm steht in Beziehung
zum schwarzen Zylinder. Die Szene städtischen Freizeitvergnügen wirkt daher
unfreiwillig (oder freiwillig?) komisch. Die Ironie mag ein wenig Sozialkritik
beinhalten: Macht Zandomeneghi sich vielleicht lustig über die sinnlose Freizeitbeschäftigung
des Angelns, die ja nur zum Zeitvertreib ausgeübt wird und nicht den
eigentlichen Zweck der Nahrungsbeschaffung dient?
Zandomeneghis „Place
D’Anvers in Paris“ (1880) wurde auf der 6. Impressionisten-ausstellung 1881
ausgestellt. Gezeigt wird eine typisch impressionistische Szene mit Frauen und
Kindern in einem Park. Mit seiner sorgfältigen Gliederung und den in der
Bewegung erstarrten Personen, wirkt das Bild weniger spontan. Der Aufbau
erinnert an Seurats „Sonntagnachmittag auf der Ile de la Grande Jatte“.
In den 80er bildete sich in der
Lombardei eine Gruppe von Künstlern aus, die sich Scapigliati (wörtlich:
die „Schlampigen“, die Bohemiens) nannten. Sie lehnten jegliches
gesellschaftliches und politisches Engagement ab, weil die in ihren an das
Risorgimento geknüpften Hoffnungen enttäuscht waren. Sie distanzierten sich von
den patriotischen Idealen des Risorgimento. Die Künstler der Scapigliati waren
häufig depressive Gemüter. Ihre Bilder waren geprägt von einer gebrochenen,
pastosen Pinseltechnik und einer farbigen Auflösung der Formen. Berühmte Scapigliati waren z.B. Cremona und
Ranzoni.
Eine weitere Richtung, die
sich in Italien herausbildete, war der Divisionismus. Die “Divisonisti Italiano“
hatten ein änliches Interesse an der Optik wie die französischen Divisionisten.
Der italienische Divisionismus entwickelte sich jedoch unabhängig von den
Franzosen. Die Italiener sahen ihre Ursprünge bei Leonardo. Der Farbauftrag
erfolgte in parallel gesetzten langen, dünnen Linien oder Strichen
kontrastierender Farbtöne. Ein wichtiger Pionier der Divisionisten war Giovanni
Segantini.
Spanien ist geprägt von
seiner regionalen Vielfalt. Seine abwechslungsreiche Landschaft macht Spanien
zu einem Land außergewöhnlicher Kontraste. Diese Vielfalt spiegelt sich
motivisch auch in den Werken der spanischen Impressionisten wieder.
Im Gegensatz zu den
Italienern reisten die spanischen Künstler sehr viel mehr in das übrige Europa,
so z.B. auch sehr häufig nach Italien, denn die klassischen Regeln, wie sie
noch im 19. Jahrhundert gelehrt wurden, gingen von Italien aus.
Im 19. Jahrhundert wurde
Paris ein starker Anziehungspunkt für die Spanier. In der Kunstmetropole
wollten sie sich die neuesten Maltechniken aneignen und ließen sich von der
Schule von Barbizon beeinflussen. Auch die Spanier teilten mit den
französischen Impressionisten das Interesse direkt nach der Natur zu malen.
Dennoch standen sie stark in der Tradition der Malerei ihres eigenen Landes,
vor allen standen sie unter dem Einfluß Velasquez` und Goyas. Auch die
Franzosen, vor allem Manet, waren von der spanischen Malerei beeinflusst: Sie
schätzten deren freie lockere Malweise und das Kolorit.
Es war der Verdienst von
Carlos de Haes (1826-1898), dass sich die Freilichtmalerei in Spanien
durchsetzte. De Haes stammte aus Brüssel und wurde 1857 Professor für
Landschaftsmalerei an der Academia de San Fernando in Madrid. Mit seinen
Studenten unternahm er Malexcursionen in die Umgebung und in die Natur, was zu
dem Zeitpunkt noch recht ungewöhnlich war. Traditionell wurde in den Akademien
das Kopieren von Meistern gepflegt. Die Malausflüge in der Landschaft hatten
Einfluß auf die Motivwahl: Die Künstler fingen an die vielgestaltige Landschaft
Spaniens in ihren Bildern aufzunehmen. Durch De Haes ließen Sie sich ermutigen
die neue Plein-Air-Maltechnik der Franzosen auszuprobieren. Gaya Nuno, ein
spanischer Kunsthistoriker bezeichnete De Haes daher als den Entdecker
unserer Landschaft.
Einer der ersten Schüler von de Haes war Martin Rico
(1833-1908). Er bekam 1858 für eines seiner Landschaftsgemälde ein Stipendium
für Landschaftsmalerei und ging mit seinem Künstlerfreund Madrazo nach Paris,
wo er eine Zeit lang lebte.
1872 besuchte er seinen Freund Fortuny, ebenfalls
ein bekannter spanischer Künstler, in Rom. Rico bereiste danach Italien und ließ
sich in Venedig nieder, wo letztendlich die Bilder, entstanden, durch die er zu
internationalen Ruhm gelangte. In Venedig blieb er bis zu seinem Lebensende.
„Ansicht von Venedig“ ist eines seiner
Venedigbilder. Man sieht einen strahlend blauen Himmel über der Silhouette der
Stadt. Im Wasser spiegeln sich die Boote und die hellen Gebäude. Im Gegensatz
zu Monets späteren Venedigbildern werden bei Rico die Bauwerke detailgetreu
wiedergegeben. Bei Monet verschmelzen die Gebäude und das Wasser in fast identischen
Farbtönen, während bei Rico eine klare Trennung erkennbar ist: Die Spiegelungen
im Kanal sind in impressionistischer Weise gemalt, die Häuser weisen jedoch
erkennbare lineare Umrisse auf.
Der bereits erwähnte Künstler Mariano Fortuny y
Carbo Marsal studierte in Barcelona und Rom, malte in den 60er Jahren in
Marokko und war 1866 in Paris. Auch er arbeitete viel in Italien. Seine dick
aufgetragenen Farben wirken im Gegensatz zu Ricos leuchtend warmen Tönen leicht
frostig. Fortuny war um einen heiteren Bildgehalt bemüht und hatte eine
Vorliebe für anekdotische Details, wie dies in seinem Bild „Die Kinder des
Künstlers im japanische Zimmer“ zum Ausdruck kommt. Er versuchte sich von der
schweren ausdruckgeladenen spanischen Tradition zu lösen.
Fortuny hatte in den 70ern großen Erfolg in
Frankreich, was zeitlich mit der Entstehung des impressionistischen Stils
zusammenfälltl. Tatsächlich wurde Fortuny sehr bewundert von den französischen
Impressionisten. 1875 wurden die Impressionisten sogar „Fortunisten“ genannt.
Trotz dieses Erfolgs unterscheidet sich sein Malweise sehr erheblich von den
Franzosen. Fortuny bewahrte das traditionelle Helldunkel und hatte eine
Vorliebe für Schwarz, Braun und erdige Töne, was ihn grundlegend von den
Impressionisten unterscheidet.
Zusammen mit seinem Freund Madrazo malte Fortuny das
Bild „Der Garten von Fortunys Haus“. Die Szenerie hatte Fortuny gemalt. Auf den
Steinboden im Vordergrund fällt ein klar abgegrenzter Schatten. Im Hintergrund
sieht man eine Hausmauer, vor der klar von einander getrennte, schlanke Bäume
in die Höhe ragen. Die Szenerie wird seitlich von links vorne von der Sonne
angestrahlt, die Schatten sind klar umrissen. Bei der Frau, dessen Gesicht vom
roten Schirm umrahmt wird handelt es
sich um Madrazas Schwester – Fortunys späterer Frau. Sie und der Hund im
Vordergrund links wurden von Madraza hinzugefügt.
Reimundo de Madrazo hatte bei seinem Vater dem
Hofmaler Federico de Madrazo gelernt. Er studierte in Paris an der Ecole des
Beaux Arts und blieb in Frankreich. Sein Bild „Mädchen am Fenster“ zeigt
eine Genreszene vor häuslichem Hintergrund- Links sitzt eine junge Frau mit
einem Morgenmantel. Eine zweite junge Frau steht rechts daneben. Beide schauen
auf etwas, das sich außerhalb des Bildes befindet. Das Licht fällt auf den
Morgenmantel, die Haarschleife und den blauen Ohrring. Die Farben sind pastos
aufgetragen. Die Hand der Frau im Morgenmantel liegt im Schatten und schimmert
grünlich. Die Malweise ist sehr impressionistisch.
Das Bild „Wasserbassin in Alcazar von Sevilla“
(1872) weist noch stärkere impressionistische Züge auf. Madrazo interessiert
sich hier sehr an der Darstellung des auf dem Wasser spielenden Sonnenlichts.
Die umstehenden Personen scheinen rasch hingeworfen zu sein. Das Wasser mit
seinen Spiegelungen beherrscht die Bildmitte.
Auch Madrazo war sehr erfolgreich, z.B. gewann er
bei den Pariser Weltausstellungen 1878 und 1889 eine Goldmedaille.
Es hat sich gezeigt, dass die im Ausland arbeitenden
spanische Künstler Rico, Fortuny, Madrazo sehr viel mit den Techniken der
Freilichtmalerei, wie sie in Pariser Kunstszene gepflegt wurde,
experimentierten. Die Spanier lösten die Formen jedoch nie soweit auf, dass
sich wie beim Divisionismus nur noch Flecken reiner unvermischter Farbe
gegenüberstanden. Obwohl das Spektrum der häufig pastos aufgetragenen Farben
bei den Spaniern immer breiter wurde, blieben die Umrisse dennoch immer klar
erkennbar. Die spanischen Maler hatten zwar eine lockere Pinselführung und
übernahmen die leuchtenden Farben der neuen avantgardistischen Maltechnik, in
ihrer klaren Linienführung blieben sie aber dem Realismus treu.
Nun komme ich zu drei Künstlern, die vornehmlich in
Spanien gearbeitet haben und auf diese Weise in ihren Bildern auf sehr
unterschiedliche Weise die vielfältige Landschaft Spaniens festhalten konnten.
Bei den Künstlern handelt es sich um Beruete, Regoyos und Sorolla.
Aureliano de Beruete studierte bei De Haes an der
Academia de San Fernando in Madrid und ist wohl zu den echten Impressionisten
zu zählen. In seiner Heimat Kastilien fand er ein schier endlose Menge
reizvoller Motive, z.B. auch die Stadt Toledo, die er 1905 von einem der
umliegenden Olivenhaine aus malte. Auf dem Bild „Ansicht von Toledo von einem
Olivenhain aus“ schaut der Betrachter auf die Kathedrale der Stadt und auf die
Festung Alcazar. Über dem Gemälde liegt ein leichter Grauton ähnlich wie man es
von den Bildern Pissarros kennt, der die Farben in ihrer Leuchtkraft dämpft.
Berutes Bild „Landschaft bei Grindelswald“ ist
während einer Reise in die Schweiz entstanden. Der Maler versteht es die durch
das Licht entstehenden Farbtöne nuanciert wiederzugeben. Das Gemälde weist
verschiedene Weißtöne auf. Der Schnee im reinen Weiß, die Wolken erscheinen in
blassblauen und gelb abgetönten Weißtönen. Unten links entsteht durch die
Wolken ein dunkelgrüner Schatten. Die in der Sonne liegenden Felswände
leuchten.
Dario de Regoyos ist einer der ausgeprägtesten
Impressionisten. Auch er studierte bei De Haes in Madrid. 1879 ging er nach
Brüssel und studierte bei Joseph Quinaux, dem Lehrer von De Haes. 1884 gründete
Regoyos die Gruppe 20 („Les XX“) mit. Nachdem er 10 Jahre in Belgien gelebt
hatte, kehrte er wieder nach Spanien zurück.
Regoyos ist bekannt geworden durch seine
Darstellungen der verschneiten Bergwelt und nördlichen Hafenstädte Asturiens.
Die Landschaftsmalerei lag ihm wohl am meisten. Er setzte sich eingehend mit
den verschiedenen Lichtwirkungen auseinander. Im Gegensatz zu seinen spanischen
Kollegen verzichtete er weitgehend auf die Farbe Schwarz.
Auf dem Bild „Ein Stierkampf in der Stadt“
beschäftigt er sich intensiv mit den sich im Meerwasser spiegelnden Farben
(vgl. Abbildung 3, S.15). Die Hafeneinfahrt setzt sich aus blauen violetten und
grünen Farbflecken zusammen, die Gebäude spiegeln sich in Rosa- und Gelbtönen.
Vor einem mit Fahnen geschmückten Haus sieht man eine Ansammlung winziger
Figuren. Die Stimmung eines bevorstehenden Stierkampfes wird vermittelt.
Die Natur, die Sonne selbst,
lässt Augenblick für Augenblick neue Farben entstehen. (Sorolla)
Die dritte zentrale Gestalt des spanischen
Impressionismus stellt Joaquin Sorolla dar. Er wurde in Valencia geboren, wo er
an der Kunst- und Gewerbeschule studierte. Sorolla war sehr stark beeinflusst
von Velasquez und Goya. Mit einen Rom-Stipendium ging er 1885 nach Italien. Er
übte sich einerseits in der neuen impressionistischen Maltechnik, der
Freilichtmalerei, kopierte aber auch ganz traditionell die alten Meister, vor
allem Velásquez.
1900 gewann er als einen von vielen Preisen die
Goldmedaille bei der Pariser Weltausstellung. Sorolla gelangte nicht nur in
Spanien und im übrigen Europa zu großem Ruhm, sondern wurde auch in Amerika
gefeiert: 1909 harrten über 150 000 Menschen bei Eiseskälte in langen Schlangen
aus, um die Sorolla-Austellung der Hispanic Society of America in New York zu
sehen!
Auf dem Bild „Das Nähen des Segels“ (1896) verbindet
Sorolla die neue Maltechnik mit der traditionellen Malweise der alten Meister
(vgl. Abbildung 4, S.16). Die gesamte Szene ist in leicht gedämpftes
Sonnenlicht getaucht. Die große Fläche des Segels erscheint blendend weiß. Die
Gesichter der beiden Frauen links, der rosafarbene Ärmel einer weiteren Frau,
der gelbe Sombrero des Mannes rechts und die grünlichen Blätter erscheinen
hell. Die Komposition erinnert an Velasquez´ Bild „Die Spinnerinnen“ (vgl.
Abbildung 5, S.17), von dem sich Sorolla offenbar beeinflussen ließ. Der
Betrachter wird in beiden Bildern durch den Bildraum durch eine geöffnete Tür
in einen anderen Raum geführt. Bei Velasquez führt das Bild in einen Raum
dessen Wand mit einem Teppich behangen ist und in dem sich drei Damen
aufhalten. Bei Sorolla führt der Blick durch die Tür hinaus in die sonnige
Landschaft. Ungeachtet des mytologischen Hintergrundes bei Velasquez (Sage der
Arachne) sieht man auf beiden Bildern mehrere Frauen bei der Handarbeit.
Velasquez’ Frauen spinnen, Sorollas Frauen nähen. Auch die Bildformate sind
nahezu identisch (Velasquez: 222,5 X 293 cm, Sorolla: 220 x 302 cm).
Sorolla malte zahlreiche Strandszenen, die er oft im
Stil einer fotographischen Momentaufnahme ausführte, so fing er scheinbar
spontane Szenen in seinen Bildern ein. Der Maler William Starkweather
berichtete über Sorollas Arbeit:
Einmal begann Sorolla gegen Ende eines
strahlend schönen Sommertages um fünf Uhr nachmittags eine neue Studie, die ein
kleines ins Meer marschierende Mädchen zeigte. Damit sein Bild weniger einer
Figurenstudie glich, beschloss er, drei Kinder in das seichte Meer zu schicken.
Zwei kleine Mädchen und ein Junge wateten daraufhin - einander an den Händen
haltend, lachend und sich alles andere als ruhig verhaltend – in das Wasser.
Die drei Kinder wurden hier und da von den Wellen erfasst, und binnen fünfzehn
Minuten malte Sorolla die drei nassen, im Licht der goldenen Abendsonne
leuchtenden Gestalten. Es war eine beindruckende künstlerische Leistung.
Auf dem Bild „Strand bei Valencia am Morgen“ zeigt
der Künstler den Strand, Menschen und Gegenstände im Morgenlicht und versteht
es die starke Leuchtkraft der Farben zu erfassen. Das Bild zeigt auch, wie gut
Sorolla es verstand Bewegungen im Wasser wiederzugeben. Das Bild „Unter dem
Sonnendach (Zarauz)“ ist in Zarauz entstanden, wo die Familie Sorolla oft ihren
Sommerurlaub verbrachte, den sie sich angesichts von Sorollas großen Erfolg
öfter mal leisten konnten. Die virtuos im Wind flatternden Schleier der Damen
sind mit schwungvollen Pinselstrichen gemalt worden. Wie auf den meisten seiner
Bilder strahlt das Bild vor lauter Weiß, welches in unterschiedlichen Nuanchen
wiedergegeben wurde.
Bei einer seiner Reisen nach Amerika (anlässlich
seiner Ausstellungen) lernt Sorolla den amerikanischen Künstler Louis Comfort
Tiffany kennen, der Sorolla bat ein Portrait von ihm anzufertigen. Das „Bildnis
von Louis Comfort Tiffany“ entstand 1911 und zeigt Tiffany umgeben von Blumen
in seinem farbenprächtigen Garten in Oyster Bay auf Long Island. Die Blumen
sind sehr impressionistisch gemalt, keine Blumensorte ist klar erkennbar. Auf
Tiffanys weißem vom Licht belebten Anzug erscheint eine Vielzahl von Farben.
Die der Sonne zugewandten Seiten sind pastos weiß gemalt, die von der Sonne
abgekehrte Stellen in grünlichen Tönen.
Folgende charakteristische Elemente tauchen immer
wieder in Sorollas Bildern auf: Strahlendweiße Kleidung, ein Sonnensegel, das
Schatten spendet und doch einzelne Strahlen durchlässt, sich bewegende
Gestalten und Sonnenlicht, das auf der Wasserfläche glitzert. Ein
amerikanischer Kritiker faßt Sorollas Malstil folgendermaßen zusammen:
Er arbeitet mit den divisionistischen
‚taches’ eine Monet, mit Tupfen, Kreuzschraffierungen, großen, säbelartigen
Pinselstrichen à la John Sargent, mit sanften, wellenförmigen Silhouetten oder
riesigen Farbklecksen, intensiven, förmlich über das Bild hereinbrechenden
Farben und vibirierenden Oberflächen; mit glatten... Oberflächen, die sich wie
Aquarelle durch eine raffinierte Durchsichtigkeit auszeichnen.
Zusammenfassend für den Malstil der Spanier zu Zeit
des Impressionismus, lässt sich sagen, dass die spanischen Impressionisten
trotz deutlicher Hinwendung zum französischen Impressionismus ähnlich wie die
Italiener ihren Traditionen verhaftet. Es werden erdige, schwarze Farben und
eher eine dunkle Palette verwendet.
Im Unterscheid zu den Franzosen betonen die Spanier
mehr die Form , wie es z.B. an dem breiten und eine feste Form umschreibenden
Pinselstrich bei Sorolla zu sehen ist. Die Form löst sich nicht auf.
Wie sich gezeigt hat, hat sich sowohl die italienische als auch die spanische Malerei unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen entwickelt. Die italienische Kunst entwickelte sich vor einem ganz speziellen politischen und sozialen Hintergrund. Beide Länder bleiben stark der jeweiligen traditionellen Malerei verhaftet. Hierbei sind die Spanier näher am französischen Impressionismus als die Italiener. Da die Franzosen sich wiederum an der spanischen Malerei orientierten, hatten sie ähnliche Voraussetzungen wie die Spanier.
Ingesamt gesehen ist es problematisch von einer einheitlichen impressionistischen Bewegung zu sprechen. Wie in Kapitel I dargestellt wurde, können die Macchiaioli keinesfalls als italienische Impressionisten bezeichnet werden. Genauso sehr kann man sich darüber streiten, ob die Spanier wirklich zu den Impressionisten zu zählen sind. In jedem Land zeigen sich deutlich sehr unterschiedliche Ausprägungen in der Malerei des 19. Jahrhunderts, die dem Impressionismus nahe kommen, die sich aber dennoch deutlich von ihm unterscheiden.
Der französische Impressionismus kann als ein Anhaltspunkt angesehen werden, durch den es möglich ist, eine bestimmte Ausprägung in der Kunst eines anderen Landes zu beschreiben. Durch den Vergleich können die Besonderheiten der anderen Stilrichtung herausgearbeitet werden.